Interview mit Maria:
http://m.business-gazeta.ru/article/307957/
Warum braucht das Land der Dichter und Denker russische Invalidenhunde?
Marta, ein Tierheimhund aus Kazan, ist vor ein paar Tagen zu einer Familie nach Deutschland gezogen. Einen Monat zuvor ist schon ihr „Tierheimkollege“ Dschulbars in das gleiche land immigriert. Die Korrespondentin von „Business Online“ hat sich mit Maria Guryanova, der russischen Vertretung von dem Verein „Hundehilfe-Russland“ getroffen, um herauszufinden warum in Deutschland Hunde mit einem schweren Schicksal gerade in Mode sind, wieviel es kostet einen einzigen obdachlosen Hund in Kazan umzubringen und warum die „Administration“ des Tierheims in Kazan beschlossen hat sie anzuklagen.
Werden die obdachlosen Hunde aus Kazan nach Deutschland für Tierversuche gebracht?
Die Zusammenarbei zwischen den Tierschützern aus Kazan und denen aus Deutschland hat mit einer herzzereißenden Geschichte angefangen. Vor zwei Jahren wurden einem Welpen auf einem Bahngleis durch einen Zug die hinteren Pfoten abgeschnitten.
„Es war klar, dass man die Pfoten nicht wieder annehmen konnte“, erzählt Maria Gryanova. „Der Welpe hatte in Kazan erste Hilfe bekommen. Aber es war klar, dass er für immer ein Invalidenhund bleiben würde und dass man für ihn deswegen kein Zuhause in Kazan finden würde.“ Maria suuchte im Internet nach Hilfe. Die einzige Person die sich daraufhin meldete war Natalia Gracheva, Gründerin des Tierschutzvereines „Hundehilfe-Russland“. Eine Russind, die in Aachen wohnt und eine großes deutsches Konsultingunternehmen besitzt. Sie hat an Maria eine Liste mit zur Einreise benötigten Impfungen geschickt, ihr erklärt wie der Welpe zur Einreise nach Deutschland vorbereitet werden muss und versprochen dass sie anfangen wird in Deutschland nach einem Zuhause für ihn zu suchen. Schon nach ein paar Wochen wurde ein Zuhause für den Kleinen gefunden. Und direkt nachdem die Impfungen fertig waren, konnte dieser beste Freund des Menschen in ein besseres Leben fliegen. Die Geschichte war damit jedoch noch nicht zuende. Kurze Zeit später fanden die russischen Tierschützer auch die Mutter und den Bruder des vierbeinigen Immigranten, die auch von einem Zug angefahren wurden. Auch die Beiden haben ein Zuhause gefunden. Wobei die Mutter etwas mehr Glück hatte. Der Zug hatte ihre Pfoten nicht zu kurz abgeschnitten. Sie hat in Deutschland Protesen bekommen. Mit denen ist sie im Garten ganz schön flott unterwegs und sieh dabei stets überaus glücklich aus. Die Tierschützer aus Kazan sind hierbei immer über das Befinden der Hunde durch Fotos und Videos bestens informiert.
Russische Vertreter des Tierschutzverein „Hundehilfe-Russland“ gibt es zusätzlich noch in Moskau, St. Petersburg und Lipzek. Insgesamt haben 340 Hunde und 2 Katzen aus Kazan ein Zuhause in Deutschland gefunden. Eine von den beiden Katzen hatte auch keine hinteren Pfoten. Ungefähr 50 von den 340 Hunden fehlte eine Pfote, oder ein Ohr. Etwa 5 querschnittsgelähte Hunde wurden nach Deutschland vermittelt. „Die Deutschen haben sehr viel Verständnis für die Hunde. Sie kümmern sich um die Hunde, holen ihnen Protesen, Rollwagen und alles was sonst noch der Hund brauchen könnte“, erzählt das Mädchen weiter.
Die Möglichkeit für die vierbeinigen Russen nach Deutschland umzuziehen bezeichnet Maria selbst als ein kleines Wunder und es gelingt bei weitem nicht jedem and dieses Wunder zu glauben. Als das private Tierheim von Fidal Utjaganov von der Stadt beschlagnahmt wurde, hatten die Tierschützer von „Hundehilfe-Russland“ versucht seine Hunde zu retten. Doch er bekam Panik. Auf seiner Seite schrieb er: „Werden die obdachlosen Hunde aus Kazan nach Deutschland für Tierversuche gebracht? Ich habe gehört, dass man am Liebsten Invalidenhunde nimmt, weil an denen alle möglichen Versuche erlaubt sind.“ Unter diesem Eintrag ergaben sich erbitterte Diskusionen, so dass andere Tierschützer die russischen Tierschützer von Hundehilfe-Russland sogar anzeigen wollten. Aber in Deutschland dürfen nur Hunde der Rasse Beagle für Tierversuche verwendet werden und diese Hunde werden extra dafür gezüchtet. An jedem Hund dürfen dabei nur drei Monate lang Tierversuche durchgeführt werden. Die Tierschützer aus Deutschland laufen gegen diese versuche regelmäßig Sturm. Sie demonstrieren, schlagen die Fenster ein und versuchen nach den Versuchen für die Hunde ein schönes Zuhause zu finden. So wie es aussieht werden die russischen Straßenhunde für die deutsche Wissenschaft nicht benötigt.
„Wir hatten mit Maria ein kleines Missverständnis“, sagt Fidal Utjaganov zu „Business Online“. „Mir war nicht klar, dass die Hunde nach Deutschland gehen. Jetzt habe ich aber Fotos von Dschulbars und seiner Familie bekommen. Alles ist wunderbar.“
Sie geben sogar vor einander an: Mein Hund ist aus einem russischen Tierheim und mein Hund ist aus einem rumänischen…
Eine interessante Frage bleibt jedoch: Wozu brauchen unsere westlichen Partner einen russischen Invalidenhund? Haben die Deutschen nicht genug eigene Straßenhunde? Wie es sich herausstellt, haben sie tatsächlich keine. Jeder Ort in Deutschland hat seinen eigenen Tierheim. In diesem Tierheim leben die Hunde, die kein Zuhause haben. Wenn jemand einem Hund aus dem Tierheim ein Zuhause geben möchte, dann muss er erstmal einen langen Fragebogen ausfüllen, dann wird das neue Zuhause von dem Hund kontrolliert, die Nachbarn werden befragt und erst nachdem sich das Tierheim vergewissert hat, dass nicht nur der Hund in gute Hände kommt, sondern auch dass in seinem neuen Zuhause genug Platz ist, wird eine Erlaubnis zur Adoption des Hundes erteilt.
Um Hunde aus Russland nach Deutschland zu bringen, wird die ganze administrative Arbeit von Tierschützern in Deutschland. Der ehrenamtlich gemacht. Der Transport von Russland nach Deutschland kostet allein schon 200 Euro und wird von den neuen Besitzern übernommen. Die Hunde werden in einem Transporter nach Deutschland gebracht, der extra dafür ausgelegt wurde. In dem Transporter sitzen die Hunde in einzelnen Boxen. Zusätzlich kostet die Zwischenunterkunft der Hunde in Moskau um die 100 Euro.
„Wenn wir einen Hund nach Deutschland vermitteln wollen, müssen wir von ihm Fotos machen, ein Video aufnehmen, seinen Charakter beschreiben, erzählen wie sein verhältnis zu anderen Hunden, Kindern und Männern ist. Wir müssen sie komplett impfen und entwurmen. Um einen Hund vorzubereiten braucht man 1,5 Monate. In dieser Zeit wird für den Hund in Deutschland ein Zuhause gesucht. Manchmal hat der Hund schon nach diesen 1,5 Monaten eine Familie, die auch ihn wartet. Bei manchen Hunden aber, dauert es Jahre bis er ein Zuhause gefunden hat. Warum weiß keiner“, zuckt Maria mit den Schultern.
Generell ist es nicht gerade billig einen Hund in Deutschland zu haben. Für den ersten Hund muss man abhängig davon wo man in Deutschland wohnt 100-150 Euro Steuern zahlen. Für den zweiten schon 200-300. Von diesem Geld werden die Tierheime in Deutschland unterstützt. Im Jahr geben die Deutschen 5 millionen Euro für ihre Lieblinge aus. Falla jemand seinen Hund auf die Straße setzt, droht ihm eine hohe Geldstrafe. Und falls das Gericht beweisen kann, dass diese Person nicht nur den Hund rausgeschmissen hat, sondern auch misshandelt hat, drohen ihm Strafen bis zu 25 tausend Euro. Rauszufinden wem der Hund auf der Straße gehört ist ganz einfach. In Deutschland müssen alle Hunde einen sogenannten Chip haben. Sie kriegen solch einen Chip implantiert und auf diesen Chip stehen Informationen über den Besitzer drauf. Anhand eines solchen Chips werden auch die Hunde aus Russland überwacht.
„In Deutschland hat man ein ganz anderes Verhältnis zu den Hunden“, erzählt die Tierschützerin. „Dort gehen die Hunde zur Schule. Dass man sie an die Kette setzt ist dort überhaupt nicht verbreitet. Die Hunde kriegen dort Zertifikate. Ich kriege von den Familien Nachrichten wie: Unsere Alesja kennt die und die Kommandos. Wir wollen sie im Springen weiter fördern, denn da ist sie besonders begabt. Bei uns in Russland ist es in der Mode einen Reinrassigen Hund zu haben und damit anzugeben, dass man für ihn 50 tausend gezahlt hat. In Deutschland ist es ganz anders. Dort kann ein Mensch Millionär sein und er wird trotzdem eine Jeans für 2 Euro tragen und sich als Hund nicht irgend eine Englische Bulldoge holen, sondern einen einfachen Straßenhund. Dort gibt man sogar voreinander damit an, dass der Hund von einem aus dem russischen Tierheim ist und der andere sagt, ja aber mein Hund ist aus dem rumänischen Tierheim. Der eine sagt mein Hund hat diese traurige Geschichte und der andere sagt, sein Hund habe diese traurige Geschichte. Verstehen Sie? Gutes tun ist in Deutschland in der Mode.“
Auch drei Welpen aus Kazan haben in Deutschland ein Zuhause gefunden. Diese Welpen wurden auf dem Gelände der СОБЖ (staatlicher Dienst zur Bekämpfung von Straßenhunden) in 2013 gefunden. Dort lagen um die 50 Hundeleichen herum und mitten unter diesen Leichen saßen die drei Welpen. Das schwere Schicksal dieser Welpen hat bei den Deutschen Mitleid ausgelöst und man hat für die drei ganz tolle Familien gefunden. Über СОБЖ beschweren sich Tierschützer schon seit langem. Dieser Dienst erschießt die Hunde entweder sofort, oder die Hunde werden in ein staatliches Tierheim gebracht, wo die Hunde einfach nicht gefüttert werden, so dass sie selber sterben. „Wir waren mehrmals in diesem Tierheim. Das ist die reinste Hölle. Die Hunde sitzen dort alle in einem Käfig, ohne Essen, ohne Wasser. Die Hunde sind alle voller Flöhe, nicht geimpft. So stecken sich die Hunde alle gegenseitig an, obwohl СОБЖ eigentlich dazu dienen sollte die Infektionsverbeiterung durch Hunde zu bekämpfen“, beschwert sich die Tierschützerin. „Der Tierarzt aus deiesem Tierheim sagt uns: Ok, vier Hunde dürft ihr mitnehmen. Wir stehen dann da und wissen nicht welche Hunde wir mitnehmen sollen, denn die die wir nicht nehmen sind dem sicheren Tod geweiht. Dieses staatliche Tierheim kriegt jedes Jahr von dem Staat 16 Millionen Rubel. “ tausend Rubel kriegt er für jeden Hund. Für dieses Geld könnte man jeden Hund kastrieren und innerhalb von fünf Jahren würde sich das Problem der Straßenhunde dadurch lösen können“, ist Maria überzeugt. „Aber statt dessen werden die Hunde für dieses Geld abgeschossen, oder man verwendet den billigsten Gift um die Hunde zu vergiften. Die Hunde leiden dann eine Stunde lang furchtbare Quallen, bis sie endlich sterben“.
„Ich finde es sehr traurig, dass es den Menschen egal ist ob die Hunde umgebracht werden oder nicht“, sagt die Ehrenamtliche. „Hauptsache die Hunde sind weg von der Straße. Aber mit dem gleichen Geld könnten wir auch alle Hunde kastrieren und impfen. Wir haben schon so oft an die Stadt geschrieben. Das wurde schon in der Türkei gemacht und funktioniert wunderbar. Dort werden die Straßenhunde geimpft un kastriert und werden dann entsprechend markiert. Man sieht schon vom Weiten ob der Hund behandelt wurde oder nicht. Ja, wenn ein Hund sehr aggressiv ist, dann verstehe ich wenn man ihn einschläfern möchte. Aber es gibt so viele Hunde die keinerlei Aggressionen haben. Und viele Hunde sind auch nur aggressiv, weil sie ihre Welpen verteidigen wollen. Aber wenn alle Hunde kastriert sind, kommen keine Welpen mehr.“
Im August plant der Vorstand von „Hundehilfe-Russland“ nach Kazan zu kommen. Dort wollen sie sich dann ein Stück Land anschauen, dass sie kaufen wollen um dort ein Tierheim zu bauen. Natürlich wird ein Tierheim nicht die ganzen Straßenhunde von Kazan aufnehmen können.Nach Einschätzung von Maria sind in Kazan im Moment 8-10 Tausend Straßenhunde.
Das Internet ist derzeit voll von irgendwelchen Nachforschungen anderer russischer Tierschützer, die herausfinden wollen wo denn genau die Hunde nach Deutschland kommen, oder irgendwelcher Geschichten, die unterstellen, dass die Hunde doch für Tierversuche missbraucht wurden. Es gibt immer wieder Geschichten, dass man in Russland Geld für einen kranken Hund gesammelt hat, um ihn nach Deutschland zu bringen. Dann hat man am Anfang Fotos von seinem neuen Zuhause bekommen, aber nach einer gewissen Zeit ist der Kontakt zu der Familie abgebrochen. „Leider wird Hundehilfe-Russland vor allem im letzter zeit oft unterstellt, dass wir Hunde und Katzen aus Russland für Tierversuche nach Deutschland holen“, beantwortet Natalia Gracheva die Anfrage von „Business Online“. „Diese Beschuldigungen sind haltlos. Das Ziel unseres Vereins ist es, für die Hunde und Katzen ein gutes Zuhause zu finden. Natürlich auch gerne in Russland. Wir wollen die Gesamtsituation der Tiere verbessern, indem wir Spenden wie Futter und Decken für sie sammeln. Außerdem wollen wir die unkontrollierte Ausbreitung der Hund stoppen, idem wir sie kastrieren. Jeder Besitzer, der bei uns ein Tier bekommt, muss zuerst einen Schutzvertrag unterschreiben, indem er zusatimmt, dass wir das Schicksal des Tieres beobachten können.“
Der Prozentsatz von Hunden und Katzen, die für Tierversuche verwendet werden, ist in Deutschland sehr gering und sinkt ständig weiter. Außerdem ist es in Deutschland streng geregelt welche Hunde für Tierversuche verwendet werden dürfen. Ein Mischling kann für solche Versuche nicht verwendet werden, denn das würde die gewonnenen Ergebnisse verfälschen. Russische Hunde kommen schon deswegen nicht in Frage, weil sie meistens Mischlinge sind und weil man über die Vorgeschichte des Hundes gar nichts weiß. Das Tierschutzgesetz ist in Deutschland sehr streng und die versuchslabore werden strengstens kontrolliert.
„Das Gerücht, dass Hunde aus Russland für Tierversuche nach Deutschland gebracht werden, existiert schon recht lange“, bestätigt die Direktorin Maria Voronzova von IFAW (Internationale Organisation zum Schutz von Tieren). „Das ist natürlich völliger Quatsch. In Europa und in Amerika hat man sehr selten einen reinrassigen Hund. Und für ganz normale Mischlinge stehen die Leute im Tierheim schlange. Vielleicht sollte man sich einfach mal freuen, dass die armen Tiere ein gutes Zuhause finden.“